Hervé Mangonaux und Prof. Dr. med. Horst-Rainer Kortmann im FACTS-Interview zum Thema plötzlicher Herztod

Plötzlicher Herztod ist in Deutschland die Todesursache Nummer 1. In seiner November-Ausgabe (2013) hat das FACTS-Magazin dem Thema ein Special gewidmet. Darin schildert Prof. Dr. med. Horst-Rainer Kortmann, ehemaliger ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Duisburg (BGU-DU) sowie Autor und Herausgeber verschiedener Fachliteratur, die Situation in Deutschland und widmet sich der Frage, ob automatische externe Defibrillatoren (AEDs) tatsächlich helfen können, die Überlebenschancen für Herzpatienten zu verbessern.

Als Anbieter von AEDs der Marke DOC wurde für den Artikel „Akuter Herztod in Deutschland – eine nüchterne Statistik“ auch Hervé Mangonaux interviewt. Was beide ähnlich sehen: Es herrscht noch viel Verbesserungsbedarf. Welche Ansätze denkbar sind und was konkret getan werden kann, fasst Hervé Mangonaux in diesem Blogbeitrag zusammen.

Überlebensentscheidend: rechtzeitige Erste Hilfe bei Herzrhythmusstörungen

Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems zählen in Deutschland mit einem Anteil von 40 % noch immer zur häufigsten Todesursache. Etwa 150.000 dieser Fälle lassen sich auf den plötzlichen Herztod zurückführen, der meistens infolge eines Herzinfarkts oder einer Herzmuskelschwäche auftritt. Ursächlich dafür sind in 90 Prozent der Fälle Herzrhythmusstörungen. Deren Vorbote – Kammerflimmern. Die einzig wirksame Notfallmaßnahme: sofortige Defibrillation und das innerhalb von drei bis fünf Minuten. Denn mit jeder verstreichenden Minute sinken die mit 70 – 90 Prozent eigentlich gut stehenden Überlebenschancen um sieben bis 10 Prozent. Nach 10 Minuten haben Betroffene kaum noch eine realistische Überlebenschance. Doch früher können Rettungskräfte kaum vor Ort sein.

Hervé Mangonaux: AEDs könnten pro Jahr 6.000 zusätzliche Menschenleben retten

Um die Überlebenschancen bei Kammerflimmern u. Ä. zu erhöhen, sieht Hervé Mangonaux nur einen Weg: Die gezielte, flächendeckende Ausstattung mit automatisierten externen Defibrillatoren, die auch von Laien bedient werden können. Die Wirksamkeit frühzeitiger Defibrillation konnten alle bisherigen Studien bestätigen, eine US-amerikanische rechnet sogar mit einer Steigerung der Überlebensrate von über 60 Prozent.

Hervé Mangonaux sieht dabei jedoch noch ein weiteres Problem. Selbst wenn AEDs installiert sind, erfolgt Laienhilfe noch viel zu selten, selbst wenn die Geräte vorhanden sind. Das bestätigt auch eine von der Almas Indsutries beauftragte Studie: Von 2.000 Befragten hatten 15 Prozent einen AED am Arbeitsplatz, davon wussten wiederum nur 44 Prozent über dessen Bedienung Bescheid. Und trotz Schulung trauen sich eigenen Angaben zufolge 11 Prozent nicht, den Defibrillator im Ernstfall auch einzusetzen. Das, so Hervé Mangonaux, sind die ernüchternden Ergebnisse der Befragung. Eine erschreckende Bilanz, vor allem vor dem Hintergrund, dass sich mehr als 30 Prozent aller plötzlichen Herztode in der Öffentlichkeit ereignen und die Hälfte aller Herz-Kreislauf-Stillstände in Gegenwart anderer Personen erfolgt, die Erste Hilfe leisten könnten. Insgesamt bekommen jedoch gerade einmal 15 Prozent der Betroffenen rechtzeitig eine Reanimation durch Laien. Würde die Laienreanimation gestärkt, könnten hingegen rund 6.000 Menschenleben pro Jahr zusätzlich gerettet werden, sind Mangonaux und Kortmann überzeugt.

Erschreckend: Hilfe scheitert meistens an nicht existenten Ängsten

Doch woran scheitert die Erste Hilfe am „Unfallort“? Hervé Mangonaux hat festgestellt, dass es oft Ängste sind, die gar nicht existieren, Menschen aber am effektiven Helfen hindern. So befürchteten 61 Prozent, den Hilfebedürftigen zu verletzen oder für mögliche Fehler haftbar gemacht zu werden. 11 Prozent hatten Angst, einen gesunden Menschen durch den abgegebenen Stromschlag zu töten. Dabei kann ein Defibrillator gar keinen Stromstoß verabreichen, wenn die Person nicht wirklich einen Herzinfarkt erlitten hat!

Für Hervé Mangonaux ergibt sich aus den Ängsten der Umfrageteilnehmer eine ganz klare Handlungsanweisung und die lautet Aufklärung. Denn viel zu wenige Menschen in Deutschland wissen über die Funktionsweise eines AED und die Dringlichkeit einer Reanimation in den ersten fünf Minuten Bescheid.

Hervé Mangonaux: „AEDs sind für das Herz, was der Feuerlöscher im Brandfall ist“

Hervé Mangonaux und Prof. Dr. med. Horst-Rainer Kortmann fordern daher nicht nur die verpflichtende Vorhaltung von AEDs in Unternehmen und die flächendeckende Versorgung stark frequentierter Gebäude und Plätze. Sie sehen die Gesetzgebung auch bei der Formulierung in der Pflicht, aus der klar hervorgehen sollte, dass im Notfall jeder Laie einen Defibrillator straffrei einsetzen darf. Damit wäre den Menschen eine große Angst genommen, ist Mangonaux sicher. Ratsam erscheint den beiden zudem die kontinuierliche Aufklärung über die öffentlich-rechtlichen Medien, die große Bevölkerungsteile erreichen können.

Anwenderfreundlichkeit und eine gute Auffindbarkeit, selbst unter Stressbedingungen sind weitere wesentliche Faktoren, die einer Verbesserung bedürfen. Alleine durch Konzentration auf die Ballungszentren könne bereits die halbe deutsche Bevölkerung versorgt werden, so Kortmann.

Für die Platzierung der AEDS rät er zu einer Vereinheitlichung der Orte, sodass die Menschen immer und überall wissen, wo sie den nächsten Defibrillator finden. Hierzu müsse aber auch eine deutliche Beschilderung her, die Kortmann aktuell noch vermisst.

Hervé Mangonaux spricht sich vor allem für den Einsatz automatischer Defibrillatoren aus, da diese Geräte den Ersthelfer nie alleine lassen. Über eine eingebaute Sprechverbindung sorgen sie für Unterstützung seitens der Leitstelle. Zudem erlauben Defibrillatoren wie der DOC die gleichzeitige Ortung des Unfallorts via GPS, sodass die Retter ohne Zeitverlust eintreffen können.

Automatische Externe Defibrillatoren günstiger als Folgekosten

Doch auch Kortmann und Mangonaux wissen, dass Vorsorge Geld kostet. Das ist auch mit AEDS nicht anders. Trotzdem käme Vorsorge günstiger als Nachsorge. 120.000 plötzliche Herztode kosten den deutschen Staat derzeit indirekt 4,4 Milliarden Euro jährlich. Das macht knapp 37.000 Euro pro Fall. Durch die flächendeckende Anschaffung öffentlich zugänglicher AEDs könnten diese Kosten laut einer Studie der Cologne Business School innerhalb von fünf Jahren um 1,2 Milliarden Euro gesenkt werden. Für 3 Milliarden Euro wäre der Erwerb von 750.000 hochmodernen AEDs möglich – einer pro 180 Einwohner.

Fest steht für Prof. Dr. med. Horst-Rainer Kortmann und Hervé Mangonaux in jedem Fall: Handeln tut not. Und dafür setzen sie sich auch weiterhin ein.

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